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Brunch mit der IDEA Society: Milan Vukovich

„Ich fühle mich wie ein Urbulgare“

Brunch mit der IDEA Society: Milan Vukovich ist akademisch ausgebildeter Kunsthistoriker, einflussreicher Künstler und Vordenker in universell-gesellschaftspolitischen und religiösen Fragen

Im Gespräch mit Dr. Stefan Stoev (08/2009)

Ich lernte Milan Vukovich auf einer Vernissage am Gestüt Marienhof in Spillern, im Frühling 2008, kennen. Milan hielt die Eröffnungsrede bei der Ausstellung: "Die Hengste der Spanischen Hofreitschule" von der Künstlerin Eva Jackle. Seine lange Ansprache und die Tiefsinnigkeit mit der er die Künstlerin und Ihre Werke auslegte, machten mich neugierig und es wurde mir bewusst, dass er über ein profundes Wissen im Bezug auf Kunst und Kunstgeschichte verfügte, welches ihm seinen persönlichen Zugang bei der Auseinadersetzung mit dem Thema verschaffte.


Anderthalb Jahre später sitzen wir mit Milan gemeinsam in der Dorotheergasse im Havelka zum Brunch. In Zeiten der angekündigten Weltwirtschaftskrise unterhalten wir uns über das Thema das uns zusammengebracht hat: Kunst!


Milan Vukovich, 49, ist in Wien geboren und in Mali Boristof Kleinwarasdorf bei seiner „altkroatischen“ Familie aufgewachsen. Er hat Architektur und Kunstgeschichte in Wien, als auch Malerei in Salzburg und in Venedig studiert. Während seines Studiums wurde Milan zu einem „Weltmensch“. Seine Studienaufenthalte brachten ihm nach New York, Moskau, Kairo, Rom, Venedig und Paris.


Milan befasst sich professionell mit Architekturzeichnungen, mit Portraitzeichnungen und mit Entwurfszeichnungen für Innenraumgestaltungen historischer Gebäude, wie Kirchen, Schlösser und Palais, sowie mit der Kunstausgestaltung öffentlicher Gebäude.


Im Bereich der Forschung, setzt sich Milan mit Ethnographie, Archäologie, Mythologie, Altkirchenslavische Literatur und religiöser Kunst auseinander. Sein Forschungsschwerpunkt ist Ost- und Südosteuropa. Milan strebt nach einer Kulturreform, welche zur Entwicklung eines neuen interdisziplinären, universalen und völkerverbindenden Ansatzes beitragen soll.


Milan kam zu unserem Brunch mit traditionell österreichischem Trachtensakko und modernen Jeans, konservativ elegant und doch gelassen. In diesem Stil begann auch unsere Konversation.


Als Einleitung zu unserm Gespräch, fragte ich gleich Milan über seinen Standpunkt zur Entwicklung der religiösen Kunst in Ost- und Südosteuropa, vom Mittelalter bis zur Gegenwart und wo er sich darin selbst positioniert. Dabei
brachte der Kellner, unter der persönlichen Aufsicht vom Leopold Havelka, der morgens gelegentlich im Kaffeehaus vorbeischaute, unseren Kaffee…

„Ich persönlich teile meine Meinung mit zahlreichen hochrangigen Kirchenvertretern der römisch katholischen Kirche, dass ein reformativer und neuer Glaubensansatz für Europa aus dem Bereich der südosteuropäischen Orthodoxie einströmen wird. Die Bedeutung traditioneller östlicher Kirchenkunst ist getragen von einem tiefen Glauben und vom Prinzip der Kontinuität, beides ist im Westen verloren gegangen. Das so genannte individuelle Prinzip der Selbstverwirklichung des Menschen ist in den Konsumgemeinschaften auf Grenzen gestoßen und so sieht man sich nun nach neuen Lösungen um. Da erscheinen wieder archaische Grundbedürfnisse im Menschen welche auch durch archaische Konstrukte erfüllt werden können. Innerhalb der religiösen Kunst der Orthodoxie kommen gänzlich andere Prinzipien zur Geltung als zum Beispiel in der Gegenwartskunst. So wende ich mich auch einer Tradition zu, die mir ein Gefühl der wohlwollenden Aufnahme in einen für mich akzeptablen Wertekonnex verschaffen kann, mit dem Anspruch Anteil zu haben an der Ewigkeit, am Erlöstsein von meinem Ego, an einem Zutritt zum Christologischen Ideal. Die Wirkkraft der östlichen Ikonen und des mittelalterlichen Kirchenbaues hat nun eine große Bedeutung für die Welt erlangt. Sofern die intellektuellen Kräfte aus Bulgarien zum Beispiel sich ihrer Wurzel bewusst werden und die Künstler aus ihren eigenen Wurzeln schöpfen, kann es innerhalb der Weltkultur zu einer neuen Renaissance kommen mit einem wesentlichen Anteil der bulgarischen Identität im großen Weltgefüge. Dies war zur Zeit des ersten Großbulgarischen Reiches der Fall. Erst aus dem tiefen Bewusstsein um den eigenen Ursprung kommt es zu einer Hochkultur. Darin irren sich zahlreiche Kunstschaffende Menschen, wenn sie glauben, international sein zu wollen und abgeschmackte Mainstreams irgendwo in der Provinz zu fabrizieren. Freilich sieht die Realität in Bulgarien anders aus als in Österreich und auch dieKunstbedürfnisse sind dort anders als hier. Ich glaube dass die Kirche in Bulgarien wieder enorm an Bedeutung gewinnen wird und auch andere Glaubensgemeinschaften weltweit an ihre Wurzel zurückkehren werden und darin ihren Menschen denjenigen Halt ermöglichen den sie brauchen. Im Europäischen Kontext muss zwangsläufig ein interreligiöser Dialog gepflegt werden, um ein friedvolles Nebeneinander zu ermöglichen. Meine künstlerische Arbeit bezieht sich auf ein völkerverbindendes Konzept und meine historische Gewachsenheit aus der Geschichte meiner Familie. Darin spielt sowohl die kulturelle Identität, die Sprache, die Sitten als auch die Toleranz über Jahrhunderte eine wichtige Rolle. Der besonders weiteZurückblick meiner Familiengeschichte gestattet mir geistige Verbindungen bis ins frühe Mittelalter aufzunehmen. So bin ich in der Lage quer durch Europa mich selbst zu finden und dadurch habe auch ich so etwas, was ich meine geistige Heimat nennen kann. Als Folge davon thematisiere ich früheKulturen, Byzanz, Mittelalter, Gotik in meiner Arbeit. Da ich mich als Kulturreformer sehe hole ich die großen Themen aus der Religion hervor, nur sie sind in der Lage Veränderung herzustellen und die Geschichte zu formen. Darin bewege ich mich quasi heimatlich, ganz gleich ob die Vorbilder aus Konstantinopel, aus dem Rila Kloster, aus Ohrid oder aus dem Burgenland und Wien stammen.“


Ich bemerkte, dass Herr am Nachbartisch, in seiner Zeitung starrend, mitlauschte. Anscheinend hat er auch Interesse an unserem Thema gefunden. Eine etwas kräftigere Dame, die hinter meinem Rücken saß, Stoß immer wieder mit der Rückenlehne gegen meinen Stuhl, um sich wahrscheinlich mehr Platz fürs Dessert zu verschaffen, doch ich ließ mich nicht ablenken und führ fort… Ich wollte von Milan wissen wie er den gesellschaftlichen Stellenwert der mittelalterlichen Kunst bewertet und welche aus dieser Zeit stammenden Elemente er in seinen Werken mitgenommen hat, um die Erkenntnisse auf seine Fragen zu illustrieren, die er sich bei der Auseinandersetzung mit dem Kulturerbe aus dem Altertum gestellt hat.


„Ich möchte dieses Thema subjektiv betrachten, weil ich aus meinem Arbeitsansatz, der als allererster ein Schöpferischer ist erst die kunsthistorischen, dann die philosophischen und dann erst die gesellschaftlichen Ableitungen ausforme. Zurzeit bin damit beschäftigt einen nachhaltig großen Zyklus an ikonographischen Vorbildern zu schaffen. Ich untersuche die frühe mittelalterliche Kunst, das sind Ikonen, Wandmalereien, Reliquien, Skulpturen, die ornamentale Gestaltung und die Architektur auf ihre grundsätzliche Bedeutung und ihre Voraussetzung sie zu Archetypen zu verwenden, um sie als bildnerische und formale Vorbilder benutzen zu können. Ich benutze die Zeichentechnik um relativ großformatige Arbeiten zu schaffen. Meine Sehweise auf die mittelalterlichen Objekte richtet sich vor allem nach ihrem Authentizitätsgehalt. Ein großartiges Vorbild lässt sich dann auch radikal betrachten und setzt seine innewohnende Radikalität auch in einer Neuinterpretation fort. Man hat vergessen, dass die Tradition mittelalterlicher Kunst auf dem Prinzip der mittelalterlichen Bauhütten basiert. Das große Wissen war interdisziplinär angelegt und zum Beispiel ein Kirchenbau das Ergebnis eines ganz vielschichtigen komplexen aber homogenen Zusammenwirkens aller Disziplinen. Die Radikalität jedes einzelnen Kunstwerkes innerhalb des sakralen Umfeldes war deshalb auch nicht nur solitär wahrnehmbar sondern entfaltet sich vor allem im gesamten Kontext. Das ist der Punkt der mich daran interessiert. Es ist ein Geheimnis darin. Meine Aufgabe ist es nicht das Geheimnis zu lüften, aber es weiterzugeben. Und das was man weitergibt soll wahr sein. Darin habe ich auch ein Vertrauen in den Wahrhaftigkeitsanspruch der gläubigen mittelalterlichen Kunstschaffenden. Das Urvertrauen in den kollektiven Geist unserer Vorfahren sichert heute nach wie vor eine klare und unkomplizierte Art das alte Erbe fortzusetzen und etwas Wesentliches dabei für sich zu gewinnen. Nun wie lässt sich da etwas für heute und für unsere Gemeinschaften gewinnen? Wesentlich ist, dass es in Europa noch sehr viele Orte gibt, welche mit diesem Glaubensgeheimnis aufgeladen sind. Die manchmal auch nur kleinen Kirchlein oder Klöster irgendwo in Südosteuropa oder in Frankreich sind kluge Gebilde, richtige Think Tanks, mehr noch Believe Tanks, die uns eine menschliche Dimension, eine Größe verleihen können, welche wir ohne sie nicht ausleben können. Ein Besuch eines solchen Ortes verleiht dem zeitgenössischen Menschen den Anteil an einer wirklich kosmischen Dimension, einen Anteil an einer chtonischen, erdverbundenen und an einer vertikalen himmlischen Komponente. Das ist wirklich spacig, wenn man es richtig lesen und aufzunehmen vermag. Vor allem ist das Erlebnis der Romanik und Gotik ein modernes und zeitloses Unterfangen, weil es eine innewohnende Vision birgt. Diese übertrage ich in meine Arbeit und stelle sie als weitergeleitete Energie an dem Menschen von heute zur Verfügung. Wichtig dabei ist das ich als Autor dieser Kraft zurücktrete, ich habe das nicht erfunden, ich bin nur ein unbekanntes Glied in der Zeit, ebenso wie der anonyme mittelalterliche Baumeister oder Bildhauer. Es geht vor allem um die Menschen, die Anteil haben an den grundsätzlichen menschlichen Errungenschaften, worin das Erlösungsmysterium das Größte ist. Das heißt die Gemeinschaften von heute benötigen für ihren Wertekonnex eine Erfahrungsinformation, welche direkt in ihrer Nähe ist und welche vielleicht Antwort birgt auf persönlichen Fragen oder Probleme, angefangen vom Umgang mit dem eigenen ich bis zur Thematik der Familie und bis zur gesellschaftlichen und politischen Gestaltung von großen Gemeinschaften. Ja selbst eine große Problemstellung, wie die historisch entstandene Trennung von Religionsgemeinschaften, Ostkirche-Westkirche zum Beispiel, existiert in so mancher romanischen Kirche nicht. So liegt nun eine stille, an einer himmlischen Harmonie teilhabende Welt als Rest des Mittelalters vor uns, die wir nur durch das Betreten oder Betrachten für uns nutzbar machen können. Da ich konsequent bin, baue ich gerade in meinem Zuhause einen mittelalterlichen Sakralraum aus, welchen ich St. Basilius Saal nenne. Es wird ein zeitgenössischer Raum mit mittelalterlichen Stollentruhen, östlichen Ikonen und großen Blecharbeiten, Zeichnungen von Handreliquien. Darunter befindet sich nicht nur die Handreliquie des Hl. Basilius sondern auch eine Handreliquie aus dem Silberschatz von Zadar, welche eine Stifterfigur aus meiner Familie im Mittelalter der Kirche gestiftet hat. In diesem Saal werden wir zeitgenössische Kulturinitiativen setzen, welche aus dem hier beschriebenen Wissenszyklus schöpfen. Das ist eine sehr interessante Aufgabe.“


Der Herr am Nachbartisch hat seine Zeitung zusammengefaltet und mit einer Zigarette in der Hand, zurückgelehnt an seinem Stuhl, verfolgt er nun ganz offen unser Gespräch. Die Dame, die bis jetzt erfolglos versucht hatte mich mit ihrem Stuhl zu erdrücken, streckt ihre Hand aus, nach dem Ober ausschauend, um die Rechnung zu bestellen. Von der Baustelle am Graben ertönen die kleinen Bagger, die im neuen modernen Stil die Fußgängerzone umpflasterten. Manche vom Lärm und Staub genervten Touristen versuchten über die schmale Dorotheergasse auszuweichen und laufen an uns vorbei. Milan bestellt einen zweiten kleinen Braunen und ich überlege mir schon auf Bier umzusteigen. Dieser mittelalterliche Sakralraum, den Milan bei sich errichten lässt und nach dem Hl. Basilius benannt hat, brachte mich zum überlegen und gleich auf die nächste Frage! Der Hl. Basilius, oder auch Basilius von Caesarea, ist bekannt als einer der drei Kirchenväter von Kappadokien dessen Liturgien heute noch in der koptischen Kirche und an Festtagen in der orthodoxen Kirche in Gebrauch. Die Orthodoxe Kirche, oder Griechisch-orientalische Kirche, ist aus dem griechischen Kulturraum entstanden. Die Orthodoxie kommt zu ihrer Entfaltung im heutigen Ostmittelmeer- und Osteuropäischen Raum, wo sie auf die Slawen trifft, die sich aus dem nordöstlichen europäischen Raum südlich ausbreiteten. So wollte ich nun von Milan wissen wie er zur slawischen Kultur steht und welcher Bedeutung er ihr schenkt.


„Wenn ich etwas so genanntes wie eine Vision für die westliche Gesellschaft zu formulieren wage, so ist dies für mich nur über den geistigen Zugang zur altkirchenslawischen Literatur möglich. Die Tradition der humanistischen Schöpfungsarbeit von Kyrill und Method, ihre Darstellung der glagolithischen Schriftkultur, das weite Wirken mit dem Spurennachlass bis heute ist für mich sehr leicht zugänglich. Das Altslawische stellt für mich eine so reichhaltige Substanz dar, dass ich ein Leben lang aus diesem Bereich schöpfen kann. Dabei ist für mich nicht nur die religiöse Ebene interessant. Die frühen slawischen Kulturen wurden im jahrhundertelangen Machtkampf durch einzelne Fürsten beziehungsweise durch die Herrscher selbst geformt und geprägt. Es liegt in der Tradition des Slawischen der Anspruch des ritterlichen Ehrenkodex. Die balkanische weltliche Kunst des Mittelalters ist in gewisser Hinsicht eine Königsdisziplin, sie spricht ganz deutlich diese Sprache. Selbst in der Volkskunst setzt sich dies fort. Die Kultur Bulgariens war über 1000 Jahre geprägt von der Volkskunst. Sie steht hier für einen Ersatz der weltlichen Hochkultur und ist deshalb überaus bedeutend. Vor allem tradiert sie jahrtausende altes sogar prähistorisches Formengut, gekoppelt an ihre Vielfalt von regionalen Mythen. Ablesbar ist daraus, dass Bulgarien wie auch andere slawische Länder einen wichtigen transitorischen Übergangs-Aspekt innerhalb der Verläufe der Weltkulturen einnahmen. Der unter wissenschaftlichen Fachkreisen viel diskutierte Schatz von Nagyszetmiklos weist in seiner Ornamentik ikonographische Verbundenheiten mit weit in alle Himmelsrichtungen entfernten Kulturen auf, vom Ungarischen bis zum Iranischen reichend. Das transitorische daran ist beabsichtigt und liegt in der Natur der Verbundenheiten der frühen Völker untereinander. Hier hinein spielen sehr alte Codes von Hochkulturen, Reste von einzelnen Herrscherfiguren, die heute in undechiffrierbaren Artefakte ihre Spuren hinterlassen haben. Man kann daraus erkennen, dass die Auffassungen der Kultur der Vergangenheit eine größere geistige Größe aufwiesen und ihre Kriterien zur Abgrenzung anders gestrickt waren als heute. Wohl lebe ich in Österreich des 21. Jahrhunderts und ich spreche 2 Muttersprachen und 4 "Fremdsprachen" und ich kann sagen, dass ich aus dieser Doppelgleisigkeit noch nie Nachteile empfunden habe, ganz im Gegenteil. Meine exakte Kenntnis der deutschen Sprache steht nicht im Gegensatz zu meinem noch mittelalterlichen altkroatischen Dialekt, welchen wir im Burgenland sprechen. Es liegt scheinbar in der Natur der Dinge, dass ich ein historisch bewusst agierender Mensch bin und so betreibe ich zwangsläufig eine Parallelität zwischen Rückwärtsschau und Vorwärtsschau, mit dem Ergebnis dass ich ebenso gerne althochdeutsche Texte lese, frühe nordische Madonnen zeichne, ebenso wie protobulgarische Ornamente dechiffriere bzw. Grundrisse orthodoxer Kirchen nachvollziehe. Den stimmigen und ebenso unstimmigen Fluss der Geschichte zu verfolgen heißt Kontemplation und ihn weiterzubilden heißt Subjekt der Zeit zu sein, jemand der die Zeit verändern kann. Nun so weit geht es nicht, aber als Kulturschaffender hat man so etwas wie eine Art Samenkorn in der Hand, welches man aussäen kann.“


Abschließend zu unserm Bruch, bevor ich den im schwarzen Frack gekleideten Kellner rufe und wir dann den anstehenden Touristen unseren Platz überlassen, treibe ich unser Gespräch vom Altertum in die Gegenwart zurück und frage Milan wie er nun den gesellschaftlichen Beitrag der zeitgenössischen Kunst einschätzt.


„Ich bin im 20.Jahrhundert geboren und damit ein Mensch, dessen mediale Prägung durch die Kultur der Moderne erfolgte. Der demokratische Anspruch, welcher der Moderne innewohnt war als historisches Phänomen absolut notwendig. Die verkrusteten Machtstrukturen des 19.Jahrhunderts mit ihren pervertierten Folgeerscheinungen totalitaristischer Prägung erfuhren mit dem Geist der Moderne eine Katharsis, eine grundsätzliche Art von Reinigung. Der revolutionäre Anspruch der frühen Moderne beinhaltet einen Ansatz für einen gesellschaftlichen Neubeginn. Dies führte in der Folge zu sozialen wichtigen Veränderungen und die Gesellschaft konnte sich ihre wesentlichsten Grundwerte, zumindest im westlichen Umfeld sichern. Einhergehend mit diesem Neubeginn schuf sich ein Großteil der Bevölkerung innerhalb seiner neuen Privatsphäre das Recht auf Meinungsfreiheit, Bildungsfreiheit und es erfolgte die völlige Neuadaptierung der physischen Rahmenbedingungen im Bereich der Hygiene, Gesundheit und im Wohnsektor. Die soziale Absicherung des Arbeitsplatzes war eine der Grundvoraussetzungen hierfür. Untermauert war das Wertegebilde der Moderne durch eine neue Kultur mit dem Anteil neuer Kunst für die Voraussetzung sich als neuer Mensch fühlen zu können. Dies waren von der breiten Gesellschaft jahrhundertelang vermisste Möglichkeiten. Ich schätze die Ikonen der Moderne von Kasimir Malevitch, Marcel Duchamp, Picasso, Francis Bacon, Warhol, Joseph Beuys und die vielen anderen ebenso bedeutenden sehr. Ich schätze auch die geistigen Grundlagen, die Philosophie, die sprachliche oder soziologische oder analytische Annäherung von Wittgenstein, Freud, C.G. Jung, Adler, Heidegger und so fort. Das Kulturkonglomerat der Moderne ist ein fast unerschöpfliches geistiges Abenteuer und es ist vielerorts als Grundvoraussetzung für Veränderungen noch anwendbar oder weitertragbar. In den Ländern mit schwächerer wirtschaftlicher und damit auch kultureller Potenz ist das Einbringen der Kultur der Moderne als Katalysator für Veränderung und Wachstum nach wie vor von Bedeutung. Ich selbst habe aber die Inhalte der Moderne zutiefst überprüft und die Grundhaftigkeit für das Ende ihrer Bedeutung zumindest für den Westen entschlüsselt. Die Philosophie der Moderne eignet sich hier in Mitteleuropa nicht mehr für eine Fortsetzung. Die seelische Ausgehöhltheit des auf westlicher Marktwirtschaft und ihren konsumistischen Werten basierenden Individuums hat den Siegesplan der Moderne scheitern lassen. Für die nun als Subjekte aufgetauchten Menschen war ihre metaphysische Struktur zu flach. Die soziologische Denkstruktur der Moderne gestattete keinen Gottesbegriffund dies war ihr Problem. Der rein vernunftmäßige Zutritt zu den Phänomenen der Welt entpuppt sich nun als Verursacher von Unwohlsein, Verlorenheit und ist Ursache für eine tiefe kollektive Krise. Die Hoffnung auf Selbstbefreiung, ich meine existenziell vollkommene Selbstbefreiung durchWissen oder durch analytische Reflexion ist nicht erfüllt worden. Die Seele des Menschen ist nicht durch das Prinzip der Selbstbeherrschung und vollkommener Eigenverantwortung in einer Welt wo "Nichts" ist zu befriedigen. Die Versuche von Ersatzhandlungen wie die der Psychoanalysesind schiefgegangen. Aktuell ist nun die Spannweite, ein ganzes Spektrum von rein wissenschaftlichem Denken bis zur Möglichkeit für esoterische Willkür auszuloten. Ich meine, die Freiheit sich aus dem Topf aller Möglichkeiten frei bedienen zu können hat die Menschen verunsichert.Klarheit ist verloren gegangen. Die konkrete Einheit ist nun das große Thema. So befinden wir uns hier nun in einer Übergangsphase. Ein neues Relativieren des Glaubensbegriffes als Antipode zum Wissensbegriffwird innerhalb der nächsten Zeit zu einer wiederum neuen Annäherung an ein religiöses Prinzip führen. Betonung liegt auf ein religiöses Prinzip. Dazu werde ich als Überwinder der Moderne versuchen hoffentlich das Richtige beizutragen.“